Telagon Sichelputzer

Blog ab 18

In Zeiten eines globalen Internets, das die Hürden der Kommunikation auf ein Minimum senkt, zeichnen sich die Politiker in Deutschland mit bisher ungeahnter Dreistigkeit aus. Der neue Jugendmediendienstestaatsvertrag soll ab kommendem Jahr die jüngeren Mitbürger noch besser als bisher vor manch einschlägigen Online-Angeboten schützen.

Ich bin kein Rechtsexperte, doch die Medien berichten ziemlich haargenau: Ab 1. Januar 2011 muss also jeder Anbieter seine Webseiten auf eben diese jugendgefährdenden Inhalte überprüfen. Zudem müssen die Inhalte klassifiziert und zum Schutz der Jugend vor diesen Inhalten geeignete Maßnahmen getroffen werden. Wer die Verunstaltung von DVD-Covern bereits nicht schön findet, sollte sich schon heute an die ähnlich lautenden Klassifizierungsstufen in den Altersfreigaben ab 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren gewöhnen - auch für Blogs?

Ja, denn dies soll verpflichtend für die Inhalte von jeder Webseite gelten. Alternativ können Inhalte zeitbeschränkt werden und nur zu bestimmten Zeiten, also in der Abendzeit, online sichtbar sein.
In einem globalen Internet ist dies jedoch sehr lächerlich, da eine Zugangsbeschränkung schon davon abhängig ist, in welcher Zeitzone man sich befindet. Auch der Sitz des Anbieters spielt eine wichtige Rolle, schließlich gilt der JMStV nur für Deutschland. Das globale Internet von Deutschland zu reglementieren ist ein Widerspruch an sich.

Auch für den gemeinen Blogger vom Typus eines kommunikationsfreudigen, öffentlichkeitssuchenden Meinungsmachers bedeutet die Novellierung des JMStV eine neue Anpassungsgabe, der wohl kaum jeder gerecht werden kann. Schließlich muss fast jedes Online-Angebot sich den neuen Herausforderungen des #JMStV beugen, weil der JMStV Bußgelder für Verstöße vorsieht. Ich habe keine große Lust dazu, mein privates Blog vom Netz zu nehmen.

Da ich auch keine Zeit und Mühe investieren möchte, jeden Inhalt auf die verschiedenen Altersklassen zu prüfen, pauschalisiere ich alles. Deswegen prangert vorsorglich ab heute ein plakatives Zeichen oben im Blog - “Blog ab 18″. Die Inhalte kann ich nicht überprüfen. Insgesamt stünden 2.564 Artikel, 7.932 Kommentare und 3.452 Tags allein in diesem Blog zur Prüfung an.

Die Zeit fehlt mir, und das notwendige Expertenwissen für die jeweilige Unterteilung in Altersklassen fehlt mir. Ich möchte mit meinem Angebot auch keine Kinder erreichen, schließlich schreibe ich auch Dinge, die für unter 6-jährige wirklich nicht geeignet sind. Was interessieren die sich für PR, Social Media oder Marketing? Von diesen Dingen verstehen sie meistens auch nichts. Als Vater weiß ich das sehr wohl. Da zählen Stofftiere, Spielzeug, Bausteine oder Fahrradfahren für die Kleinsten. Daher gilt ab sofort: Das Mitlesen in diesem Blog ist ab sofort für Euch verboten, wenn Ihr zu jung dafür seid.

Mal ganz ehrlich: Deutschland verbaut sich jegliche Chancen, auf dem internationalen Markt im Internet aktiv und agil mitzumischen. Der JMStV torpediert mit seiner Unlogik auch manches Geschäftsmodell, das auf Inhalte setzt und natürlich entsprechende Werbung dazu ausliefert. Alterskennzeichen sind womöglich systematisch störend und in weiterem Sinne sogar geschäftsschädigend. Wer würde denn gerne ein Angebot lesen, das jedes Mal nach dem Alter für einen Artikel fragt oder mit einem so proaktiven Signal wie “Blog ab 18″ den Augen schadet?

Zukünftig überlege ich mir, ob ich nicht doch einen Auslandssitz für mein Blog suchen sollte. Die ganze Situation tut mir leid - auch die Konsequenzen für die deutschen Hosting-Anbieter. Wenn die Politiker euren Kunden nur Stress machen, überlegt man sich als Kunde einfach auf internationaler Ebene die Konkurrenz zu nutzen. Vielleicht sollten wir alle auch lieber auf Englisch schreiben und den Sitz im Ausland anmelden, danach Deutschland vom Internet kappen. Dann brauchen die Politiker sich auch nicht darüber wundern, warum ein “Browser” nicht in einer Duschkabine installiert wird.

Hinweis: Das satirische Potenzial dieses Artikels sollte jedem Leser vollkommen bewusst sein. Diese Erwartungshaltung darf man von über 18-jährigen Lesern auch erwarten. Für die Leserratten unter uns auch noch hier die Bildquelle für das schöne Logo, das ich in abgewandelter Form einsetzte.

Kategorien: Blogkultur, Politik, Recht
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Wir sind Teil einer gewaltigen Abmahnkampagne!

Wenn sich die Massen bewegen, erreicht man sehr viel Aufmerksamkeit. Nicht ein Castor-Transport oder andere Demonstrationen bewegen heute die Menschen. Nein, es sind im Prinzip die Helden unserer Kindheit. Die Aktion begeistert bereits 242,838 Mitglieder. Mich auch. Mitmachen kann jeder, indem das eigene Profilbild bei Facebook durch einen entsprechenden Comic-Charakter ersetzt wird. Doch nach einigen Stunden habe ich ehrlich gesagt keine Lust mehr. Der Grund dafür ist recht einfach erklärt.

Schauen wir jetzt in die Glaskugel, kommen nämlich so manche schadhafte Gedanken ans Tageslicht. Der gesamten Industrie geht es schlecht. Verdammt schlecht. Lasst es sinkende Absatzzahlen sein oder die typisierten Raubkopierer. Die stellen doch reihenweise Comics und Cartoons einfach ins Netz. Also warum sollte eigentlich nicht bei einer Fan-Aktion mitverdienen? Das erklärte Ziel dieser Massenbewegung wird bestimmt ein weltweiter Abmahnwahnsinn von sämtlichen Personen sein, die z.B. Asterix & Obelix, Saber Rider and the Star Sheriffs, He-Man, She-Ra, Heidi, Alfred Jodokus Kwak, Captain, Future, Goofy, Micky Maus, Donald Duck, Bugs Bunny, Daffy Duck und wie unsere Lieblingshelden der Kindheit alle heißen bei sich in den Profilfotos veröffentlichen.

Die berechtigte Frage nach dem Sinn einer solchen Abmahnaktion ist gewiss berechtigt. Man erkennt schon an dem Satz, wie es gemeint ist. Die Anwälte, die daraus Kapital schlagen wollen, werden sowieso über kurz oder lang im Netz eine ungerühmte Berühmtheit erlangen. Na dann… wenn es sonst nichts weiter gibt, als den Fans in den Allerwertesten zu treten? Und jetzt bitte wie sonst auch einfach weitermachen.

Kategorien: Blogkultur, Recht, Social Media
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Korrektur einer Rüge

In der deutschen Presselandschaft kommt das Prinzip der Rüge öfters vor. Der Deutsche Presserat tagte in den letzten drei Tagen in Berlin und sprach insgesamt sieben Rügen aus. Wegen der Missachtung des Persönlichkeitsrechts kassierte die Sächsische Zeitung eine Rüge. Doch auch selbst die Pressemeldung, in der die Rüge bekannt gemacht wurde, erwies sich als leicht missverständlich, wenn nicht sogar mit einem Fehler behaftet.

“Wir korrigieren die heutige Pressemitteilung des Presserats in der fälschlicherweise steht, dass die SÄCHSISCHE ZEITUNG eine öffentliche Rüge erhalten hat. Es muss heißen: nicht-öffentliche Rüge. Im Gegensatz zur öffentlichen Rüge, muss eine nicht-öffentliche Rüge nicht im Publikationsorgan veröffentlicht werden. Wir bedauern diesen Fehler und möchten uns dafür entschuldigen.”

Immerhin hat sich der Deutsche Presserat dafür entschuldigt.

Kategorien: Public Relations, Recht
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Stoppschild für Google Street View!?

In diesen Tagen diskutieren Politiker, Netzaktivisten, Journalisten und Kommunikatoren über Google Street View. Das US-Unternehmen will in naher Zukunft die digitale Erfassung sämtlicher Straßenzüge in ausgewählten Großstädten Deutschlands durchführen. Bei Erfolg wird die Erfassung auf weitere Städte ausgeweitet, bis man irgendwann quer durch Deutschland über Google Maps mit Google Street View marschieren kann. Jetzt regt sich erneut der Protest gegen das Ablichten des eigenen Hauses in der Bevölkerung. Doch die Kameraautos fuhren bereits seit einigen Monaten durch die Städte. Die Bilder und Daten sind bereits teilweise erfasst. Manche Bürger wollen natürlich auch weiterhin dagegen ankämpfen, dass ihre Häuser für jeden sichtbar sind und nicht nur bei Google Maps per Satellitenaufnahme identifizierbar sind.

Der Tumult in der Bevölkerung wächst, im Netz beginnt sich der “Shit-Storm” zu regen. Als eine erste Besänftigungsgeste von Google findet sich seit kurzer Zeit das passende Formular im Netz, mit dem besorgte Bürger ihr Haus von Google Street View ausschließen dürfen. Dazu muss die Adresse eingegeben werden, auf Google Maps der “Pin” zur möglichst eindeutigen Markierung auf das Haus gezogen werden. Zusätzlich kann das Haus ausführlich beschrieben werden und man muss sich per E-Mail Adresse und sogar per Postzusendung diesen Widerruf zur Erfassung der Daten bestätigen lassen. Die Aktion ist zeitlich bis zum 15. September 2010 beschränkt, danach soll für die Widerruf-Aktion in den betroffenen Städten und Gebieten vorerst ein Schlussstrich gezogen werden. Wozu aber bitte diese ausführlichen Angaben zum Haus und auch zu den persönlichen Daten? Was geschieht eigentlich damit, nachdem ich die Angaben gemacht habe?

Google fährt einen unglaublichen Aufwand für deutsche Bürger - dem Anschein nach. Auch die USA blicken irritiert über den großen Teich. Doch egal was Google unternimmt, sie werden keine Chance haben, wenn Bürger ihre Häuser nicht zeigen möchten. In der Regel wird wohl niemand Google Street View dazu nutzen, um einen Einbruch zu planen und umzusetzen. Doch das “Imperium” schreitet stetig voran, auch wenn einige lokale Städte und Kommunen versuchen, den Netzgiganten davon abzuhalten. Wer davon aber nichts weiß, wird wohl kaum das Formular mit seinen persönlichen Angaben füttern - und dessen Haus wird über kurz oder lang von Google Street View erfasst werden.

Man sagt ja immer: “Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.” Diese Weisheit stammt aus der deutschen Rechtsprechung und besagt, dass der Gesetzgeber davon ausgehen kann, dass sich jeder Bürger über die Gesetzeslage informieren kann. Diverse Zeitgenossen behaupten, dass jetzt jeder Bürger die befristete Zeit nutzen kann, um sein Haus und Grundstück vor der Veröffentlichung in Google Street View zu schützen.

Doch das stimmt nicht so ganz. Zwar gilt die obige Regel für Gesetze, doch für eigene Regeln von privatwirtschaftlichen Unternehmen hat nach meiner persönlichen Einschätzung diese Regel keinen Bestand. Nehmen wir als bestes Fallbeispiel eine rüstige Rentnerin im Alter von 85 Jahren. Die gute Dame nutzt das Internet nicht, lebt alleine in ihrem Haus und ihre Enkel spielen jeden Tag im Vorgarten. Aus guten Gründen, die jeder intelligente Mensch nachvollziehen kann, möchte die Rentnerin und die Familie nicht, dass Google Street View ein Foto des Hauses macht - vor allem nicht, wenn die Kinder im Vorgarten spielen. Warum sollte sich eine Rentnerin, die keinen Internetzugang besitzt, bei Google Street View innerhalb der festgelegten Zeiträume über das Online-Formular melden? Sie sollte jeder Zeit einen Widerspruch einreichen dürfen. Auch ich als Familienvater der Kinder wäre stark dafür. Der Bedarf des Formulars ist also nur obligatorisch, weil jeder Bürger das Recht hat, auch nach Fristende der Veröffentlichung von Bildern seines Hauses und Grundstücks bei Google Street View zu widersprechen. Ich glaube sogar jederzeit. (Nachtrag: Aus den Kommentaren der Hinweis zum entsprechenden FAQ.)

Egal was Google sich wünschen mag, um sein umstrittenes Produkt am Markt einzuführen und zu etablieren: Jeder Bürger kann Google zu jeder Zeit widersprechen, die Bilder vom eigenen Haus oder vom durch einen selbst persönlich bewohnten Haus im Netz zu veröffentlichen. Es gibt bisher keine Gesetzesgrundlage, dass man sich an Fristen von Google halten muss. Google müsste uns daher eigentlich fragen, ob unsere Häuser abgelichtet werden dürfen. Auch jeder Bürger hat meines Wissens das Recht dazu, anderen Aktionen von manchen Netzaktivisten, bei denen die Häuser nach Einreichung des Widerspruchs, ebenfalls zu widersprechen. Ob das Unternehmen Google oder die Betreiber von diesen anderen Aktionen sich freilich daran halten müssen, ist eine ganz andere Sache.

Als aktiver Nutzer von Google und gewiss auch als eine Art digitaler Marken-Fan des Unternehmens, wünsche ich mir statt der “von oben herab”-Mentalität, die von Google in den jüngsten Diskussionen scheinbar ausgelebt wird, eine radikale Änderung der Vorgehensweise. Stoppt das Bestreben, alles und jeden ohne zu Fragen zu erfassen und zu digitalisieren. Ihr habt selbst die Nutzer dazu animiert, mit euch auf einer gleichberechtigten Diskussionsebene zu kommunizieren - dem Social Web sei dank! Es liegt an Google, die Wünsche seiner Nutzer zu erkennen und umzusetzen. Unser aller Sorge hinsichtlich unserer Privatsphäre und die dazugehörigen datenschutzrechtlichen Bedenken ist mehr als berechtigt. Handelt positiv und ignoriert die Kritik nicht, indem ihr Lobbyismus betreibt und PR-Provokationen in alle Windrichtungen verbreitet. Seid doch endlich mal wieder eurem alten Motto treu: “Don’t be evil.” :)

Hinweis: Ich bin selbstverständlich kein Rechtsexperte und gebe hier auch keinen fachlichen Rat. Der Artikel dient als Kommentar und soll die Diskussion zum gesamten Thema anregen und auch konstruktive Kritik liefern.

Kategorien: Marketing, Public Relations, Recht, Social Media
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Sperren, Löschen oder Pressefreiheit für ein FAZ-Blog?

Press this! Not the button, but the Press. Kuscheln wir uns eng zusammen und schauen mal, was im Internet so los ist. Auf dem Heimweg las ich zufällig doch tatsächlich folgenden Artikel mit dem markigen ersten Satz: “Heute ist mein Blog bei der FAZ “gesperrt” worden.” Zu Anfang dachte ich, meine Augen würden mich trüben. Das kann nicht wahr sein. Hier scherzt jemand. Doch tatsächlich wurde laut des Artikels das FAZ-Blog von Michael Seemann alias “mspro” von der Redaktion abgeschaltet.

Zuerst war es nur ein einzelner Blogeintrag, doch dieser brachte den Stein ins Rollen. Fehlende oder nicht ausreichende Rechte an dem verwendeten Bildmaterial, wie in diesem Fall durch die Redaktion kritisiert wurde, stellen Verlage vor eine große Herausforderung. Bevor man eine Abmahnung oder Honorarforderung seitens des Fotografen oder Rechteinhabers riskiert, ist der schnelle Griff zur Deaktivierung von fraglichen Beiträgen durchaus gängige Praxis. Schließlich geht es um den Geldbeutel, der uns allen lieb und teuer ist. Dieser Grund für die Entfernung eines einzelnen Artikels wirkt auf den ersten Blick durchaus verständlich. Doch gerade an dem Punkt entwickelt sich eine sehr spannende Geschichte.

Nach Überprüfung des fraglichen Artikels stellt der FAZ-Blogger “mspro” seinen Artikel selbstverständlich ohne das fragliche Bildmaterial online - mit einem Hinweis auf die Veränderung. Der alte Text wirkt gewiss auch ohne die Illustration. Der Leser darf am Inhalt teilhaben. Genau an diesem Punkt, und da empfehle ich durchaus den obigen Artikel zu studieren, sieht sich die Redaktion gezwungen, das Blog scheinbar restlos zu entfernen und wertvolle Inhalte schlimmstenfalls restlos zu vernichten.

Ich respektiere vieles und kann die Entscheidung zur Deaktivierung eines Beitrages aufgrund der fehlenden Bildrechte wirklich nachvollziehen. Aus der Business-Sicht sprechen viele Gründe für den Schutz vor Honorarforderungen bei Bildern. Aber den Tod eines ganzen Blogs und aller Artikel zu riskieren stellt fast schon einen eklatanten Widerspruch zur Pressefreiheit dar, die auch auf Blogs als publizistische Werke zutrifft. Der Autor wird zwar nicht durch staatliche Instanzen an der Veröffentlichung von Inhalten und der Meinungsbildung gehindert, sondern durch eine Redaktion selbst. Insbesondere die Tatsache, dass der fragliche Blog den Namen “crtl-verlust”, also den Kontrollverlust als Titel trägt, spiegelt die Ohnmächtigkeit der traditionellen Medien mit Lichtgeschwindigkeit wider. Was nicht passt, wird passend gemacht - oder abgestellt. Für die Redaktion der FAZ kann dieser Schritt, das Blog und seinen Autor zu entfernen, keinesfalls von Vorteil sein. Fast 60 Kommentare und unzählige Tweets machen seit wenigen Stunden die Runde.

Wenn das nicht der beste Weg zum Social Media PR-Gau für die Redaktion ist? Wollen wir es mal nicht hoffen und darauf setzen, dass sich alle Beteiligten zusammen finden und die mögliche Kurzschluss-Reaktion noch einmal in aller Ruhe überdenken. In dem Fall des Eingeständnisses eines Fehlers kann ich nur darauf plädieren, auch mal die Fünfe grade sein zu lassen, wenn der “crtl-verlust” wieder hergestellt wird.

Kategorien: Medien, Public Relations, Recht, Social Media
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Die Zeit ist reif für Social Media Richtlinien!

Social Media ist in aller Munde, doch für viele Unternehmen sind Twitter, Facebook und Konsorten noch in weiter Ferne. Die Gründe dafür liegen meist im Trivialen, nämlich den Schutz des Unternehmens selbst. Was die Mitarbeiter aus PR oder Marketing so treiben, ist ja ganz schön und nett. Sobald aber Mitarbeiter ihre Arbeitszeit in den sozialen Netzwerken verbringen, verlieren wir doch Millionen! Beispiele gefällig?

So manche Unternehmer denken wirklich in den altbackenen Hierarchie-Ebenen und wollen aus ihnen nicht herauskommen. Da soll nur ein Mitarbeiter behaupten, er würde geschäftliche Kontakte bei Facebook pflegen, wenn er während der Arbeitszeit doch wirklich nur mit seinen Freunden herumchattet. Schließlich gibt es bei Facebook ja nur Freunde. Auch schön ist die Ausrede, man würde Twitter als Informationsmedium und nicht als Chat ansehen. Die Chatten doch alle! Ganz zu schweigen von denjenigen Typen, die wirklich daran glauben, sich selbst mit ihrer Online-Reputation und sogar ihren Arbeitgeber durch irgendwelche Blogeinträge und ähnliche Aktivitäten in Social Media zu fördern. Pustekuchen! Geheimnisse werden einfach ausgeplaudert!

Wenn schon Facebook, dann doch bitte mit dem Hinweis, dass diese Webadresse gesperrt ist. Das macht schon die hauseigene IT-Abteilung. Schließlich machen die das Internet. Twitter steht sowieso ganz schnell auf der Banliste, zur Abwechslung ist der eigene Account bei Twitter immerhin freigeschaltet. Die Oberfläche von Twitter kann damit zwar niemand bedienen, aber die unternehmerische Logik erfordert auch so manche drastische Maßnahmen. Und die anderen sozialen Netzwerke, Communities und Portale sind ebenso böse. Wer Social Media einfach dicht macht, hält aus der Firma den Ärger fern?

Zweifelsohne schotten sehr viele deutsche Unternehmen sich gerne von der Außenwelt ab und leben noch in der Steinzeit des digitalen Zeitalters. Eine eigene Webseite wird gepflegt, der Kundenkontakt per Mail wird nur mühsam aufrecht erhalten und Werbung wird immer noch ausschließlich in TV und Radio geschaltet. Internet? Das ist doch voll von Kriminellen, die der Musikindustrie schaden wollen, aber gleichzeitig unseren Star für Oslo ganz nach vorne in die Charts mit ihren bezahlten und legalen Downloads bringen. Die extreme Ahnungslosigkeit von vielen Unternehmen, die eben nicht mit ihren Mitarbeitern und auch den Geschäftsführern in den sozialen Netzwerken bestmöglich vertreten sind, muss mit der einen oder anderen Stellschraube optimiert werden.

Wie bewegen sich mein Unternehmen und meine Mitarbeiter geschäftlich korrekt in Social Media? Auch wenn Mitarbeiter verschiedene soziale Netzwerke nur in ihrer Freizeit nutzen, verschwimmen private und berufliche Inhalte immer mehr im Social Web. Durch das steigende Interesse an sozialen Netzwerken, Online-Communities, Kommunikations-Tools und Dienstleistern rund um Social Media sehen Unternehmen einen Handlungsbedarf, ihre Mitarbeiter aktiv zu lenken und gleichzeitig ihre Marken, Produkte und Dienstleistungen zu schützen.

Der Schutz für alle Beteiligten stellt demnach einen sehr wertvollen Bestandteil einer Unternehmensrichtlinie dar. Gleichzeitig ist aber auch die Förderung der Aktivität in Social Media ein relevanter Aspekt. Eine Abschottung oder Abkehr von den sozialen Netzwerken durch technische Barrieren oder juristische Schritte gegenüber den Mitarbeitern ist meiner Meinung nach ein gravierender Fehler.

Social Media Richtlinien sind ein angemessenes Mittel zur Bildung eines aktiven Bewusstseins für den richtigen Umgang mit den neuen Kommunikationsmechanismen im Internet. Die Fachgruppe Social Media im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. veröffentlicht heute einen neuen Leitfaden mit zehn Tipps für den geschäftlichen Umgang im Social Web. Insgesamt stellen wir sowohl Handlungsempfehlungen als auch eine Absicherung der Mitarbeiter und des Unternehmens vor potenziellen Risiken dar. Der Leitfaden zeigt somit die grundlegenden Inhalte zur Erstellung unternehmenseigener Social Media Richtlinien auf. Unternehmen sollten die für sie zutreffenden Inhalte des Leitfadens für ihre eigenen Social Media Richtlinien aufgreifen und ausführliche Informationen in Form von FAQ oder Tipps zu konkreten Anwendungsfällen mit Handlungsempfehlungen für Aktivitäten in Social Media bereitstellen.

Der Inhalt des BVDW Leitfadens „Social Media Richtlinien – 10 Tipps für Unternehmen und ihre Mitarbeiter“ behandelt die folgenden Punkte, die mir als einer der Autoren des Leitfadens sehr wichtig sind:

  • Definieren Sie Ziele
  • Geheimnisse sind geheim und Interna bleiben intern
  • Mitarbeiter müssen authentisch sein
  • Wer veröffentlicht, übernimmt Verantwortung
  • Interne Kritik ist erlaubt, bleibt aber intern
  • Gehen Sie mit Fehlern offen um
  • Schonen Sie Ihre Geschäftsbeziehungen
  • Beachten Sie das geltende Recht
  • Schränken Sie private Nutzung von Social Media während der Arbeitszeit ein
  • Social Media erfordert kontinuierliches Engagement

Die Handlungsempfehlungen der Fachgruppe Social Media im BVDW, die ich seit ihren Anfängen im Herbst 2008 auch persönlich als Unitleiter und Aktivist begleite, sprechen Unternehmen sowie beschäftigte Mitarbeiter an und dienen als Grundlage für individuelle Unternehmensrichtlinien. Es freut mich daher sehr, meinen Lesern hier im Blog auch den Lesebefehl zum PDF-Dokument zu geben. Einige Medien wie Meedia, t3n, IWB oder Golem haben bereits darüber berichtet.

Spannend sind jetzt die Meinungen der Leser - schließlich sind Social Media Richtlinien immer ein individuell zu bewältigendes Thema für jedes Unternehmen. Wir wollten erste Tipps geben und hoffen, dazu auch eine aktive Diskussion in der Community anzuregen. Schließlich entspricht Social Media in seinem Kern genau einer lebendigen Entwicklung. Wie sehen eure Erfahrungen mit Social Media Richtlinien aus? :)

Kategorien: Marketing, Public Relations, Recht, Social Media
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Jack Wolfskin, Dawanda und das Recht

Warum machen es sich so viele Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen ich bisher sehr schätzte, in der letzten Zeit immer so schwer, um in Social Media mit Nutzern auf Augenhöhe respektvoll miteinander zu kommunizieren? Diese Schlagzeile schlägt einem schon sehr direkt ins Gesicht: Jack Wolfskin eröffnet den Abmahn-Herbst! Innerlich weint das Herz jedes PRlers, denn eine Marke wird für ihre Anwaltskeule öffentlich angeprangert. Doch dagegen kann man nichts machen, denn heute hat der Nutzer mehr Macht, als vor einigen Jahren. Traditionelle Unternehmen, die überhaupt gar keine oder nur sehr wenig Ahnung von Social Media haben, fallen dabei regelmäßig auf die Nase.

Wenn wie hier eine rechtliche Keule geschwungen wird, sollte man sich seitens eines Unternehmens nicht viel öfter im Voraus überlegen, was damit an einer Welle von Berichterstattungen losgetreten wird. Ein kleiner Social Media PR-Gau zum Wochenende allemal, wenn nicht sogar noch weitaus tiefgreifender, weil das Bekleidungsunternehmen hier in Deutschland ja sehr bekannt am Markt ist. Und ebenfalls auch der Plattformbetreiber Dawanda, wo entsprechende Produkte angeboten wurden, die aufgrund ihrer selbstgefällig hergestellten Art irgendwie und irgendwo das Markenlogo, ein kleines gelbliches Logo, das einen Pfotenabdruck ziert, im Sinne des Markenrechts verletzen?

Weil eine Katzenpfote, die zufällig einem Logo ähnelt, das passend wie “Senfflecken, die aus einem Karussel auf den Asphalt tropften”, wie ein anderer Pfotenabdruck wirkt? Deswegen werden Menschen mit bis zu 991 Euro abgemahnt? Besonders hart ist es, dass dies “nutzergenerierter Inhalt” ist, zwar in Form eines haptischen Produktes, aber trotzdem sind hier keine Profis am Werk, von denen ich auch glaube, dass sie keinesfalls den Bekleidungshersteller Jack Wolfskin ganz plötzlich angreifen wollten. Das Verbreiten von Produkten mit einem Pfotenabdruck ist böse. Und Dawanda zieht sogar in einem offiziellen Forenposting ganz feige den Schwanz ein. Weil man die Nutzer bittet, sich vor Veröffentlichung bzw. Verbreitung solcher Produkte über die markenrechtliche Lage eigenständig in Kenntnis zu setzen.

Ja, eines steht fest: Ich persönlich werde kein Jack Wolfskin mehr kaufen. Nicht für mich, nicht für meine Frau, nicht für meine Tochter. Für niemanden. Wenn durch mein hart verdientes Geld auch nur im geringsten diese schwingende Anwaltskeule finanziert wird, dann verzichte ich auf die Produtke solcher Hersteller. Ich schäme mich sogar, einige dieser Bekleidungsprodukte zu besitzen. Wenn es um praktizierte Produktpiraterie geht, wenn Produktfälschungen, die originalen Produkten nachempfunden sind, aus dem Verkehr gezogen werden, das kann ich unterstützen. Aber in den beim Werbeblogger dargestellten Produkten ist eine Ähnlichkeit doch keinesfalls zu Jack Wolfskin nachzuvollziehen. Ach, das Portal Dawanda werde ich auch nicht nutzen oder empfehlen - einfach so, weil man seine Nutzer, die im Grunde blauäugige Schäfchen sind und einer Plattform vertrauen, leider durchaus im Regen stehen lässt und das Problem abwälzt, dass man sich fragt, warum man sich einen Marktplatz schafft, auf dem sich ein Anbieter nicht sicher fühlen kann. Vielen Dank - heute gibt es kein doppeltes Lottchen zu sehen, sondern den doppelten PR-Gau am Wochenende. Was will man mehr?

Update 1 vom Sonntag, 18. Oktober 2009:
Der Artikel vom Werbeblogger macht die Runde, auch mein Blog wird sehr aktiv verlinkt. Social Media entwickelt sich zur Macht der Konsumenten, die man niemals unterschätzen sollte. Zum Vorgehen von Dawanda möchte ich als nicht-Experte für rechtliche Themen betonen, dass selbst bei einer Distanzierung jeglicher Haftung für die nutzergenerierten Inhalte trotzdem Unterstützung für die Community-Mitglieder erfolgen sollte - und zwar mehr als nur ein Forenposting mit dem Hinweis auf die AGBs. Zumindest ist dies meine ganz persönliche Meinung.

Update 2 vom Sonntag, 18. Oktober 2009:
Ich habe eine offizielle Presseanfrage an Jack Wolfskin gestartet. Meine Fragen werde ich ab 15 Uhr am morgigen Montag veröffentlichen. Bis dahin gebe ich der PR-Abteilung von Jack Wolfskin entsprechend Zeit zur Reaktion. Amüsant ist die Tatsache, dass man sich nach Registrierung bzw. gestellter Presseanfrage für den Bezug eines Newsletters bereit erklärt hat: “Vielen Dank für Ihre Bestellung des JACK WOLFSKIN Newsletters!” lautet es auf der Bestätigungsseite der “Presse Registrierung”.

Update 3 vom Dienstag, 20. Oktober 2009:
Wider meiner Erwartung hat sich die Presseabteilung von Jack Wolfskin mir gegenüber nicht geäußert. Sehr schade, dennoch möchte ich den Lesern dieser Zeilen den passenden Artikel dazu nicht unterschlagen: Image-Schaden durch die Pfotentatze im Netz zum Weiterlesen, Weiterleiten und Kopfschütteln.

Kategorien: Public Relations, Recht
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Polizei-Terror bei “Freiheit statt Angst” Demonstration?

Dies ist eine schwierige Situation für mich als Vater, Ehemann, Berufstätiger, Pressemensch, Meinungsbildner, Bürger, Wähler, Homo Politicus. Darf eine Staatsmacht gegen seine Bürger, die scheinbar friedlich ihre Meinung kund geben und die Transparenz im Staate fordern, mit Gewalt vorgehen? Mit allem Respekt, wer als Vertreter einer Macht im Staate ein verantwortungsvolles Amt trägt, sollte auch seiner Verantwortung gerecht werden. Die Polizei dient zum Schutze des Bürgers und nicht minder zum Schutze des Staates. Bei der Großdemonstration in Berlin, der “Freiheit statt Angst“, gingen wohl 25.000 Menschen auf die Straße und demonstrierten gegen die totale Überwachung von Telefon, Handy und Internet - gegen die ausufernde Überwachung in Deutschland.

Selbst wenn es laut eigenen Angaben auf Seiten der Demonstranten friedlich zulief, spielte die Gegenseite, in diesem Fall die Polizei, anscheinend nicht mit. Wie in dem Video eindrucksvoll und beängstigend dokumentiert ist, wurden scheinbar mehrere Passanten durch rohe Gewalt der Polizei-Sicherheitskräfte verletzt. Wenn man diese wenigen Minuten im Video betrachtet, kommt einem das Gefühl der totalen Ohnmacht. Was kann man dagegen machen? Kann man überhaupt? Ja, ich glaube, dass man hier etwas unternehmen sollte, denn dieser Zwischenfall darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Was für ein Glück im Unglück, dass die Sympathisanten und Demonstranten mit zahlreichen Digitalkameras und Videokameras ausgerüstet sind, um diesen potentiellen Machtmissbrauch seitens der Personen in Uniform sehr detailgenau für die Nachwelt aufzunehmen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Polizisten sich unter dem Deckmantel einer Einheit, ohne Angabe einer Dienstnummer, im Schleier der Team-Verbrüderung, nahezu unerkannt bei Großveranstaltungen bewegen konnten und gegenüber den Bürgern gewalttätig werden.

Um diese Thematik direkt anzuprangern, könnte man folgendes sagen: Ihr seid es, die jetzt auf Video dokumentiert sind. Eure Gesichter kennt jetzt nicht nur derjenige Mensch, gegen den ihr Gewalt anwandt, sondern es sind Millionen eurer Mitbürger, denen ihr jeden Tag in eurem Leben auf der Straße begegnen werdet. Social Media ist nicht nur für einige wenige Geeks und Nerds ein kommunikatives Instrument. Nein, Social Media ist zur Macht der Menschen geworden. Ihr werdet auch lückenlos aufgenommen, so wie es der Staat mit seinen Bürgern versucht, aber eure Aufnahmen verbreiten sich wie Lauffeuer im Internet. Hier werden eure Fehler detailgetreu dokumentiert und öffentlich angeprangert, denn ihr seid für eure Taten verantwortlich.

Das sollte jedem, der eine Uniform trägt, der ein Amt bekleidet, eine Organisation oder den Staat vertritt, zu denken geben. Ihr seid selbst für euer Handeln verantwortlich. Die Bevölkerung dokumentiert euer Treiben, ihr prangert euch selbst an. Schützt euch vor euch selbst und vollzieht die Konsequenzen, in dem die Verantwortlichen sich nicht ihrer Verantwortung entziehen können. Das Internet vergisst euch nicht, die Medien nehmen diesen Vorfall ernst. Glaubt ihr noch wirklich, dass ihr alle so weitermachen könnt? Fehlanzeige.

Immerhin reagiert die Polizei nach mehrfachen Anfragen von Journalisten und Presseagenturen und leitet laut ihrer Stellungnahme ein Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt ein:

Die Vorgehensweise der an der Festnahme beteiligten Beamten einer Einsatzhundertschaft, die auch in einer im Internet verbreiteten Videosequenz erkennbar ist, hat die Polizei veranlasst, ein Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt einzuleiten. Das Ermittlungsverfahren wird durch das zuständige Fachdezernat beim Landeskriminalamt mit Vorrang geführt.

Was bleibt zu sagen? Ganz wichtig ist meiner Ansicht nach, dass niemand der Beteiligten und der im Video gezeigten Personen pauschal verurteilt wird. Die Sache mit den Fahndungsfotos, wie in einigen der Berichte zu lesen ist ist schon sehr hart, und ähnelt einem Lynch-Mob aus einem schlechten Western. Auch sollte immer bedacht werden, dass trotz aller Emotionalität dieses Themas wir alle rational bleiben müssen, und darauf hoffen sollten, dass unsere Rechtsprechung in diesem traurigen Fall die richtige Entscheidung treffen wird. Die Wahrheit liegt immer im Detail.

Kategorien: Medien, Politik, Public Relations, Recht, Social Media
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Blogger-Abmahnung durch die Deutsche Bahn AG

Wroommm! Das rummst ordentlich, als würden zwei Züge ineinander krachen. Die Deutsche Bahn AG mahnt Markus Beckedahl von netzpolitik für die Veröffentlichung eines internen Memos zur scharf kritisierten Rasterfahndung ab - und fordert per E-Mail zur Unterlassung.

Ich mutmaße nicht, über die juristische Situation zu urteilen. Doch aus der Sicht zur Information der breiten Öffentlichkeit ist eine Geheimhaltung eines solchen Memos in der heutigen Zeit voller digitaler Euphorie kaum mehr vorstellbar. Besonders die “Spitzelbarone” der Bahn stellen sich dabei leicht uncool an. Es droht ein Kampf zwischen Rechtsabteilung und PR-Abteilung des Machtinstrumentariums der deutschen Schienen - und beide Abteilungen scheinen im Ansehen der Öffentlichkeit wohl den Kürzeren zu ziehen. Zumindest sucht Markus Beckedahl sehr öffentlichkeitswirksam nach Hilfe und Rat. Im Blog häufen sich die Kommentare und bei Twitter bricht ein kleiner Sturm los. Doch merke: Einfach eine (vertrauliche) E-Mail oder ein Schreiben zu veröffentlichen - nun, das sollte man nicht ohne weiteres machen…

Kategorien: Microblogging, Public Relations, Recht
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Kleiner PR-Schachzug von ProSieben

Wenige Wochen zuvor war der deutsche Privatsender ProSieben für die Übertragung der “Wok-WM” in Kritik geraten. Zu viel Werbung, der Zuschauer wird während des sportlichen Großereignisses von allen Seiten beschallt. Laut jüngster Verlautbarung von ProSieben wird die gesamte Übertragung der “TV total Wok-WM 2009″ jetzt als Dauerwerbesendung für den TV-Zuschauer sichtbar gekennzeichnet.

Mit der Abweisung der Klage von ProSieben durch die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin gegen die Beanstandung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg wurde am 11. Dezember 2008 geurteilt, dass die Ausstrahlung der “TV total Wok-WM” in den vergangenen Jahren irreführende Schleichwerbung des Senders begründet wurde. Entweder man trifft sich weiter vor Gericht, was nicht auszuschließen ist, oder man modifiziert das gesendete TV-Bild mit dem Claim der “Dauerwerbesendung”. Warum also auch nicht? Die Fans von Stefan Raab und auch einige sportbegeisterte Zuschauer werden sicherlich nicht abschalten, nur weil “Dauerwerbesendung” am Bildschirmrand zu entdecken ist.

Meiner Meinung nach ist die heutige Bekanntgabe ein notwendiger, aber durchaus genialer PR-Schachzug gegenüber jedwedem Kritiker an dem Format. Der Sender will sich dadurch Planungssicherheit verschaffen, wenn die “gefährlichste Dauerwerbesendung der Welt” am 7. März 2009 aus Winterberg im Hochsauerland zur Primetime übertragen wird. Die wirkliche Gefahr für die deutsche Medienlandschaft sehe ich aber in der Verrohung des Fernsehprogramms. Trotz der Reglementierungen des Rundfunkstaatsvertrags wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis viele andere Sendungen sich als Dauerwerbesendung tarnen und zusätzliche (Schleich-)Werbeerlöse in die Taschen der Sender fließen. Dauerwerbesendung - ein Mittel zum Zweck?

Kategorien: Medien, Public Relations, Recht, Social Media
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