Ausgesperrt bei Facebook: Sind wir wirklich Freunde?
Dialog, Offenheit, Transparenz, Authentizität, Glaubwürdigkeit - in Expertenkreisen schlagen wir gerne mit diesen Worthülsen um uns, sobald es sich um Social Media dreht. In der Regel richten wir dabei diese Forderungen an Marken, Produkte, Dienstleistungen, Unternehmen und Organisationen. Dreht sich die gesamte Diskussion um die eigene Karriere oder um die Positionierung als fachlichen Experten, fordern wir auch immer wieder von Einzelpersonen, dass sie sich diesem Lebensstil 2.0 unterwerfen sollten. Schließlich leben wir in einer leistungsorientierten Gesellschaft, in der man auch seine digitalen Visitenkarten mit Schönschrift abgeben muss.
Im Sinne der eigenen Online-Reputation präsentieren sich mittlerweile viele Menschen mit diversen Profilen in Social Media, aber nicht jeder schwimmt mit dem Strom. Für meinen Teil schwimme ich nahezu gradlinig mit den anderen Fischen im Wasser, dem “Expertentum” sei Dank, aber versuche zugleich immer einen individuellen Schwimmstil an den Tag zu legen. So auch bei meiner persönlichen Präsenz in Facebook.
Social Networks sind ein wichtiger Teil dieser gewaltigen “Online-Reputations-Maschinerie” mit Social Media, bei der sich mittlerweile nur bei Facebook über 14 Millionen Nutzer allein aus Deutschland angemeldet haben. Auch ich nutze Facebook seit Jahren als digitales Momentum meiner selbst, aber vor ungefähr zwei Wochen hat sich mein dortiges Nutzungsverhalten in meinem ganz privaten Profil grundlegend verändert. Früher waren bei mir alle Profil-Informationen für jeden Nutzer sichtbar, was auch die Durchsuchbarkeit über Google mit einschloss.
Jetzt habe ich die Einstellungen der Privatsphäre explizit scharf geschaltet, damit nicht jeder alles auf den ersten Blick sieht. Entgegen mancher Individualisten, die gerne ihre Facebook-Profile in diverse Gruppen einteilen und denen wiederum nur bedingte Sichtrechte zuweisen, lasse ich die meisten meiner Kontakte meine Pinnwand lesen. Nur wenige dürfen nichts sehen, aber das liegt in der Regel daran, dass sie mir auch nichts zeigen - nach dem Motto “Gleiches mit Gleichem vergelten”.
Den Grund für meinen Wechsel kann ich nicht genau nachvollziehen, aber es wirkte wie ein Impuls ähnlich des typischen Bauchgefühls, auf das man bekanntermaßen hören sollte. Und einiges hat sich auch für mich bei Facebook verändert: Früher erhielt ich ungefähr fünfzig “Freundschaftsanfragen” im Monat von Facebook-Nutzern. Die meisten von ihnen kannte ich nicht, so dass ich diese Personen nie für mein Profil freigeschaltet habe. Von “Freunden” zu sprechen stellt sich generell bei sozialen Netzwerken immer wieder schwierig heraus. Wer von Kontakten ausgeht, wählt im Prinzip den richtigen Weg. In der Regel hatten diese Kontakte vielleicht nur ein bis zehn übereinstimmende Kontakte mit mir, was für mich jedoch nicht als “Daumen-nach-oben”-Kriterium für eine “Freundschaftsbestätigung” bei Facebook zählt. Vielmehr wurde mein Profil über die ausgeklügelten Mechanismen von Facebook den kontaktsüchtigen Nutzern einfach nur vorgeschlagen. Die Umstellung meines Profils ergab zusätzlich eine radikale Wendung für alle mir unbekannten Nutzer.
Wer überhaupt nicht ein Teil meines Kontaktkreises ist, findet mittlerweile gähnende Leere auf meinem Profil. Was für ein vollmundiger Wechsel - während ich früher noch von der unabdingbaren Offenheit in Facebook proklamierte, erweist sich mittlerweile zu viel Transparenz einfach nur als lästiges Hindernis. Zu viel preiszugeben lockt viele Leute an, mit denen man nicht viel gemeinsam hat. Der einzige Hinweis, den ich jetzt neben einigen Informationshäppchen den unbekannten Profil-Besuchern gebe, findet sich unterhalb meines eigenen Profilbilds wieder. In dieser Grafik integrierte ich kurzerhand den folgenden Hinweistext, damit jeder potenzielle “Freundschaftsanfrager” sich selbst ausrechnen kann, ob wir zu echten Kontakten bei Facebook werden - oder halt nicht.
“Auf dieses rein private Profil bei Facebook lasse ich nur Kontakte, die ich mindestens einmal im Leben persönlich kennengelernt habe.
Wer mehr erfahren möchte, darf mir bei Twitter @MikeSchnoor folgen oder mein Weblog unter www.sichelputzer.de lesen.
Offizielle Kontaktanfragen dürfen sehr gerne auch über XING via www.mikeschnoor.de oder über LinkedIn erfolgen. :)”
Mit anderen Worten: Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen! Gehe ich damit vielleicht einen Schritt zu weit? Ich glaube nicht, dass eine solche Aufforderung falsch sein kann. Seitdem ich die Änderungen in den Privatsphäre-Einstellungen von Facebook aktiviert habe, halten sich zwar die Freundschaftsanfragen in Grenzen, doch das war im Grunde genommen mit der Aktion beabsichtigt. Nur noch echte Freunde, Schulkameraden, Kommilitonen, Kollegen oder Geschäftskontakte, die ich wirklich als reale Personen kenne, suchen den Kontakt zu mir über Facebook. Alle anderen “Mitleser” bleiben wie durch ein Wunder von meinem Profil fern - und gehen wohl oder übel zu Twitter, wo sie nahezu alle Informationen meiner Statusmeldungen öffentlich finden, besuchen die Business-Profile bei XING oder LinkedIn - oder sie lesen vielleicht diesen Blogeintrag. In Summe ein wirklich interessantes Experiment, was mir eindeutig bei Facebook den Rücken von der typischen Frage freihält: “Kenne ich Dich? Wer ist dieser neue Kontakt denn überhaupt?”