Familienleben, Marketing, Politik, Zukunft:

Meine Kritik: Du bist Deutschland

Bereits vor fast einem halben Jahr fiel mir das Revival der “Du bist Deutschland” Kampagne mit dem Schwerpunkt der Kinder des Landes auf. In diesen Tagen können wir uns in der Medienwelt kaum noch vor der Kampagne retten. Die Idee ist gut, die Umsetzung monströs, das Mediavolumen ist ein millionenschwerer Betrag.

Doch wenn ich die Fernsehwerbung als werdender Vater mit vollem Stolz betrachte, kommen mir in wenigen Sekunden echte Zweifel an der Überzeugungskraft der Kampagne. So wird in der Werbung, die im vorabendlichen Programm unter anderem auf ProSieben ausgestrahlt wird, von unseren Kindern und Erben gesprochen. Verglichen wird das lobenswerte Ziel seinen eigenen Nachwuchs zu zeugen aber mit dem bewussten Verzicht auf den persönlichen Luxus. Kein neues Auto, keine größere Wohnung, keine Parties - das Singleleben was wir alle in unseren Herzen neben dem familiären Leben durchaus schätzen können wird verteufelt.

Die Kampagne hat in meinen Augen einen faden Beigeschmack: In der Situation als werdender Vater freut man sich auf seinen Nachwuchs und die daraus gewonnen Familie. In den letzten Sekunden der Werbung kommt das Gefühl auf, dass man sich wider erwarten eher nach dem schnellen Sportwagen, den heißen Klamotten, dem gesparten Geld und sonstigen kleinen individuellen Reichtümern sehnt. Wozu sollte man das aufgeben, wenn man eine millionenschwere Kampagne zu sehen bekommt, in der zwar die Ideale der Familie und ihrer Kinder gelobt, jedoch die finanzielle Not, in der sich kleine junge Familien befinden, kaum thematisiert wird? Mich ärgert dieser Dilettantismus bei der Darstellung eines Familienlebens mit Kindern. Warum werden nicht die Probleme zur Lösung in dieser Mutmachkampagne angesprochen? Warum wird so penetrant, ja nahezu widerlich ekelig das Thema der Kinder beschönigt?

Für mich spricht die “Du bist Deutschland” Kampagne in seiner Neuauflage zum Wohle der Kinder und der Familienfreundlichkeit keinen Mehrwert aus. Wir sind dazu gezwungen bereits vor der Geburt eine Kostennote in Höhe von ca. 1.200 Euro als über den Daumen geschlagene und zugleich minimale Grundlage für Anschaffungen wie Kinderbett, Wickelkommode, Schrank, einen Berg voller Klamotten, Geburtsvorbereitungskurse, einen Haufen voller Utensilien und Extras zur Pflege und Hege des Neugeborenen zu investieren. Zurück bekommt man in der Regel sehr schöne Emotionen und Momente voller Liebe und Zuneigung - und läppisch befriedigende monatliche Zahlungen vom Staat sowie die Tatsache, dass man einfach keinen dämlichen Kindertagesplatz für seinen Nachwuchs zugeteilt bekommt, wenn auch die Mutter ihre Karriere nicht einfach vernachlässigen soll.

Mit anderen Worten: Mut macht diese Kampagne für diejenigen, die in ihrer frühen Eltern-Phase stecken, auf keinen Fall wie es vielleicht bestehenden Eltern oder noch-Singles empfinden können. Sie ermuntert zwar, jedoch schrecken die Kampagne und die vermittelte Botschaft durch die fadenscheinige Oberflächlichkeit einfach nur ab und vernichtet auf soliden Wegen das Vertrauen in diejenigen, die für die Familie und ihre Werte stehen. Politische Stabilität und ein guter Kurs in Sachen Familienpolitik in Kombination mit der Bewerbung dieser Wertegemeinschaft sollte gelungener umgesetzt werden als die neue “Du bist Deutschland” Kampagne. Vielleicht sehe ich das in der Situation - als werdender Vater - vielleicht zu engstirnig, doch bestimmt spreche ich dem einen Leser oder der anderen Leserin direkt aus der Seele. Ich möchte dabei nicht böse klingen, sondern vielmehr meine Enttäuschung über die bisherige Familienpolitik äußern, die trotz der kleinen Optimierungsversuche durch Frau von Leyen keinen wirklich positiven Effekt für die junge kleine Familie gebracht hat.

3 Kommentare

  1. Ute:

    Großartig geschrieben!

    Ich hab die Kampagne noch nicht gesehen, aber um so neugieriger bin ich jetzt darauf.

    Den Text habe ich 3x gelesen, denn er berührt mich und ich muss sagen, dass du deinen Schreibstil sehr verändert hast. Sehr emotional - Wunderschön auf den Punkt gebracht!

    Liegt wahrscheinlich an den “anderen Umständen” ;) Drücke Euch sehr die Daumen und hinterlasse somit gleich meine besten Weihnachtswünsche!

    Alles Liebe für Euch,

    Ute

  2. Matze:

    Ich sehe das ähnlich.
    Es ist doch erstaunlich zu sehen, wie die deutschen Unternehmen (mit schlechtem Image) Geld in solche Kampagnen pumpen und dafür noch von der Regierung unterstützt werden.
    Mehr als 30 Millionen floss in diese Kampagne, während werdende Eltern jeden Cent dreimal umdrehen müssen.
    Da mag es seltsam anmuten, dass das “Elterngeld” , eingeführt unter Ursula von der Leyen, genau die hart trifft, die es dadurch eigentlich einfacher haben sollten: Arbeitslose, Geringverdiener und Studenten.
    Frau von der Leyen ist dies gewiss egal, sie ist in einem reichen Elternhaus aufgewachsen und gehört bestimmt nicht zu den Geringverdienern.
    Also: Anstatt grosse Kampagnen zu starten, die Cheerleader-Charakter haben und Verzicht predigen, sollte sich in der konservativen Familienpolitik etwas bewegen.

    Gruss und mach weiter so
    Matze

  3. Ich stimme dir auch zu. Insbesondere der Satz “Es gibt keinen falschen Zeitpunkt Kinder in die Welt zu setzen”, stößt mir angesichts stetig wachsender Kinderarmut in Deutschland und regelmäßiger Schlagzeilen von hoffnungslos überforderten Müttern, die ihre eigenen Kinder töten und zerstückeln ziemlich sauer auf.

    Auch ich bin nicht Kinderfeindlich, ganz im Gegenteil. Aber diese Kampagne finde ich auch ziemlich daneben.

    LG Lydia

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